literature

Feuriger Herrscher

Deviation Actions

terralux's avatar
By
Published:
1.4K Views

Literature Text

Feuriger Herrscher

 

"Zum Turm, nehmt die Armbrüste!", schrie es durch Arellas Traum voll bunter Blumen. Ein metallisches Klingen schloss sich an, das mitten auf ihrer Blumenwiese völlig fehl am Platze wirkte. Ihr Horizont verblasste, die nahen Hügel explodierten in roten und blauen Blumenblätterwolken. Dann brach ihr der Boden unter den Füßen weg und sie fiel hinab.

Mit einem Zucken erwachte Arella. Im hellen Mondlicht suchten ihre blauen Augen die Zimmerdecke ab. Etwas stimmte nicht! Erschrocken warf sie sich zur Seite. Den Schrank kannte sie nicht und auch die Stühle waren falsch. "Bitte nicht!", fluchte sie still und schwang sich aus dem Bett. Ihre Füße nahmen die Decke mit und sie landete unbeholfen am Boden, wo sie sich schnell frei strampelte. Nervös ging sie zum Fenster. Die Hoffnung, dass sie sich irrte wurde im Keim erstickt, denn dies war nicht ihre heimische Stadt. Sie stieß sich zurück und fasste sich an den Kopf, der leicht brummte. Sie musste entführt worden sein! So etwas vollkommen Dummes war doch keinem denkenden Wesen zuzutrauen, oder?

Sie drehte sich und der Raum verdunkelte sich für den Bruchteil eines Augenblicks. "Schon?", brachte sie hervor und stürzte noch einmal zum Fenster. Da sah sie ihn, den feuerspeienden, großen Drachen, der leise und majestätisch seine Kreise über der Stadt zog.

Wieder hallten Schritte vor ihrer Tür entlang. "Drache!", schrie jemand. "Besetzt die Wehrtürme!"

"Das hat doch gar keinen Sinn!", brachte Arella leise hervor. Wo sie auch war, sie musste die Leute warnen, sonst würden viele den Tod finden. Mit schnellen Schritten hetzte sie zur Zimmertür. Zum Glück war sie nicht verschlossen. Sie musste zum König, oder wer auch immer hier das Sagen hatte. Ihr luftiges Nachtgewandt wirbelte um sie und kalt fuhr der Wind durch den seidigen, weißen Stoff. Sie ignorierte es und orientierte sich. Herrscher schliefen meist weit oben und in einem prächtigen Teil der Burg. Sie drehte sich nach links und folgte der Treppe hinunter, dann einen Gang entlang und weiter in den Innenhof. Ein Scheppern verriet ihr, wenn eine der Wachen im Anmarsch war, aber auch andere Menschen in leichter Kleidung oder Leder kamen über den Hof und durch die Gänge geeilt. Manche blieben kurz stehen, aber Arella lief einfach an ihnen vorbei zum Hauptgebäude. Die massigen Türen standen offen, sodass sie einfach hindurch laufen konnte.

"Ich komme von König Friedhelm, wir sollen den Südturm verstärken!", rief ein Mann auf der Balustrade über ihr mit einem prächtigen, blauen Wappenrock auf dem etwas dicklichen Bauch und lief mit einigen anderen Männern fort.

"König Friedhelm", murmelte Arella. Der Name kam ihr bekannt vor. Sie hastete die Treppe hoch und in die Richtung, aus der der Befehlshaber gekommen war. Schnell fand sie ein prächtiges Portal, dass sie passierte. Ganz unschicklich und auf einem Bein humpelnd stürzte ein Mann aus einem Nebenraum heraus und sie fing ihn geistesgegenwärtig ab.

"Danke! Zum Südturm mit dir!", brachte er hervor, während er den Stiefel noch in der Hand hatte. Arella starrte ihn an. Sie hatte König Friedhelm im selben Moment erkannt, auch ohne die festliche Kleidung. Sie erinnerte sich, mit ihm getanzt zu haben, auf dem letzten Fest. Sie hatte als Fürstin mit fast allen Gästen getanzt. Mit ihm getrunken hatte sie auch, aber dann wurde alles ganz verschwommen. Irgendwas hatte sie noch sagen wollen, aber dann erinnerte sie sich nicht mehr.

"Na los, geh schon!", ereiferte sich der Fürst und sah dann endlich hoch. "Was? Oh!" Seine Hektik verflog. Du bist ja endlich wach! Seit wir dich vorgestern auf dem Schiff fanden, warst du nur am Schlafen. Ist alles in Ordnung?"

Sein Gesicht war voll ehrlicher Überraschung und Verwirrung. Er konnte nicht der Entführer sein, aber wer dann? Da grollte eine tiefe Stimme über den Palast, aber nur Arella verstand seine Drohung. Der Drache suchte sie!

"Ich muss dringend ein Schiff von euch leihen und aus dem Hafen fahren!", ereiferte sie sich schnell. "Vielleicht ist es noch nicht zu spät."

In dem Gesicht des Fürsten wechselte Unverständnis in Unglaube und dann in Unwillen. "Nein, ich werde euch vor diesem Drachen schützen. Geht zurück in euer Zimmer, oder ins Fundament eines Turmes, dort solltet ihr vorerst sicher sein!"

"Aber Herr, ich-", versuchte Arella ihm ins Wort zu fallen.

"Keine Widerrede! Ich werde nicht zulassen, dass ihr euch zum Ziel macht. Geht schnell, ich werde meine Männer jetzt führen." Tatsächlich stemmte er sich mit einem Ruck in seinen Schuh und eilte noch immer in wehenden Schlafgewändern, aber mit Helm, Schwert und Brustpanzer bewaffnet den Gang hinunter. Arella starrte ihm hinterher.

"Dann gehe ich halt alleine!", sagte sie halblaut zu sich. Niemand durfte sie aufhalten.

"Die begreifen mal wieder gar nichts!", ereiferte Arella sich leise aber hitzig. Sie wagte nicht laut zu sprechen, um nicht entdeckt und weggesperrt zu werden. So eilig es ihr vom Stande gestattet war, ging sie durch die engen Eingeweide der Burg, in der sie aufgewacht war. König Friedhelm war ebenso dumm, wie mutig.

Einige Wachen liefen an ihr vorbei und riefen nur im vorbeigehen laut: "In den Turm, Herrin!"

Sie wussten offensichtlichen nicht im Geringsten, mit wem sie es zu tun hatten. Arella schritt zu einer Tür, die sie in den Innenhof führte. Jetzt durfte sie ihre beherrschte und langsamere Gangart ablegen. Unmöglich eine solche Ruhe vorzutäuschen, wenn draußen ein Drache herum flog. Außerdem musste sie schnell zum Hafen, um das Schlimmste zu verhindern. Ein großer Schatten schoss über sie hinweg und hob sich vom noch dunklen Morgenhimmel ab.

"Zu früh, flieg noch weiter", betete die Fürstin still vor sich hin und stieß sich dann aus dem Schatten ab, um durch das noch offene Tor in die Stadt zu kommen. Gegen einen Drachenangriff war es sinnlos die schweren Gitter zu schließen, insbesondere bei einem solchen. Sie hoffte, dass sie von oben vorerst nur wie ein weiterer kleiner Mensch unter den vielen trampelnden Gestalten aussah, sonst würde der Drache ein Chaos anrichten, bei dem Versuch zu ihr zu kommen.

Die noch leeren Straßen im Morgendunst lagen nass vom Tau vor ihr. Sie ignorierte die klamme Kälte an sich. Man hatte ihr keine passende Kleidung bei ihrer Entführung mitgegeben. Arella war sicher, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Niemand hätte auch nur im Ansatz so dämlich sein können!

Unvermittelt glitt ihr Fuß auf einem Haufen Mist aus, der von einigen Pferden hinterlassen worden war, doch sie fing sich wieder und hastete nur weiter hinunter zum Hafen. Glücklicherweise war der Weg recht einfach zu finden, sie musste nur immer bergab laufen. Mit einem Mal wurde die Stadt in gleißendes Licht getaucht und keine Sekunde später traf sie ein Schwall der abgestrahlten Hitze, die schlagartig von oben herab kam. "Oh bitte, hab noch ein wenig Geduld! Wenn du mich jetzt entdeckst, geht die halbe Stadt drauf!"

Sie hatte schon einmal gesehen, wie der Drache in einer Stadt die Häuser samt ihren Einwohnern unter seinen Körper begraben hatte. Es war für ihn nicht mehr als eine Landung gewesen. Die Ungeduld des Drachen schien zu wachsen, denn eine weitere Feuerzunge leckte über den goldenen Morgenhimmel. Ein Blick nach oben zeigte den Kaiserdrachen bereits in all seiner Pracht! Die strahlend roten Schuppen mit dem goldenen Bauch, die weiten Schwingen mit den ausgespreitzten Flügelarmen, deren "Finger" sich noch einmal teilten. Ein gleichsam anmutiger und erschreckender Anblick. Arella riss sich los. Sie wollte nicht in das von Hörnern umsäumte und gekrönte Gesicht schauen, das wütend über die Stadt glitt und nach ihr suchte.

Das Rauschen des Wassers erklang vor ihr. Mit einem Mal teilten sich die Häuserreihen und sie stand am Kai.

Sie nahm sich kaum Zeit zur Orientierung. Das erste Schiff war ein Fischkutter. Keine Chance, zu klein. Hastiges Gemurmel und schnelle, schwere Schritte von der anderen Seite ließen sie herum fahren. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Eine stattliche Karawelle machte sich gerade bereit zum Ablegen. Sie rannte zum Steg und ignorierte das Seitenstechen. Unbeachtet hastete sie den schmalen Steg zum Schiff hinauf. Oben herrschte geordnetes Chaos. Jeder Matrose machte sinnvolle Aufgaben, zugleich fehlte immer wieder ein anderer, um wirklich effektiv zu arbeiten. Sie machte einen Mann mit schiefem Hut aus, der versuchte Ordnung ins Chaos zu bringen.

"Ihr müsst sofort ablegen!", flehte sie ihn an. Verwirrung breitete sich auf dessen Gesicht aus, doch er schüttelte sie schnell ab und entgegnete nur: "Das war unser Plan. Weg von dem Drachen. Steh nicht im Weg!"

Und schon gab er weitere Befehle. Arella war es recht. Sie sah sich kurz um. Auf dem Mast würde sie gut zu sehen sein. Aber sie brauchte noch etwas. Hastig stieg sie in die Kabinen hinunter und stieß eine Tür auf. Die Küche half ihr nicht. Dann die nächste. Matrosenkajüten, aber ohne etwas Brauchbarem. Dann noch eine. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, eine Laute lag dort in der Hängematte und ein abgetragener, roter Umhang. Beides würde sie brauchen können. Schnell nahm sie es an sich und raste wieder hinauf, nur um einen neuerlichen Flammenstrahl auf den dicken Turmdächern brennen zu sehen. Er begann schon mit seinem Inferno! Mit einem schummrigen Gefühl in der Magengegend begann sie die Takelage hinauf zu klettern. Der rote Umhang flatterte im Wind. Es war ungewohnt, doch weitere Feuerstöße über der Stadt trieben sie an. Die arme Mannschaft würde überhaupt nicht wissen, was auf sie zu kam.

Auf halber Höhe merkte sie, dass das Schiff in Bewegung kam und ablegte. Sie strengte sich noch mehr an. Ihre Muskeln schmerzten, aber sie durfte nicht den richtigen Zeitpunkt verpassen!

Endlich war sie im Krähennest angekommen. Das Schiff schwamm schon der Hafenausfahrt entgegen. Von oben sah sie ein paar Geschosse der Ballista auf den Drachen fliegen, der überraschend geschickt auswich und mit einer flammenden Woge antwortete.

Arella konnte nicht länger warten, sie war schon bald aus dem Hafen hinaus. Der Wind wehte günstig zur Fahrt, aber schlecht für ihren Plan. Sie nahm die Laute hervor, stellte die Seiten stramm ein und zupfte ein paar Mal vorsichtig. Dann begann sie mit einer Melodie. Kräftig und hell tönte die Laute und der Wind trug die Musik weiter. Arella erkannte, dass sie fast zu spät war. Sie nahm ihre Kräfte zusammen und ließ sie in das Instrument fließen. Die Seiten begannen unnatürlich zu glühen, als das Lied sich über die ganze Szenerie verbreitete, bis zum Horizont.

"Oh Hoheit des Feuers, Fürst der Flammen,

gekröntes Haupt aller Wesen zusammen.

Mein Herr und Gebieter, mein Freund und Bruder,

höre mich und komm hier hernieder.

Ich bitte dich, oh Kaiser mit Schwingen,

folge diesen musikalischen Klingen."

 

Hastige und wütende Rufe ertönten von unten doch sie ignorierte sie und wiederholte nur ihr Lied noch intensiver und lauter "Oh Hoheit des Feuers, Fürst der Flammen..."

Der Drache wandte sich um und steuerte direkt auf das Schiff zu. Mit Panik in den Augen erstarrten viele Seeleute und sahen ihren sicheren Tod gekommen. Andere sprangen voller Angst ins Wasser, als der riesige Drache über das Meer glitt. Majestätisch und völlig furchtlos, aber mit einem grimmigen Schein in den Augen kam er schnell näher. Arella hatte nicht weiter darüber nachgedacht, was nun kommen würde. Sie würde überleben, bei den Seeleuten war sie nicht so sicher.

Bei seiner Größe würde jede Art der Landung das Schiff unweigerlich versenken, aber darum hatte Ragnar sich noch nie geschert. Allerdings wusste Arella, dass er sehr ungern vom Wasser aus abflog.

"Ich hätte die ganze Stadt verbrannt, wenn du mich nicht gerufen hättest", grollte seine tiefe Stimme. Unweigerlich war jedem klar, dass jedes Wort wahr war und es sein eigener Wille war, der ihn davon abhielt und keine Melodie.

"Danke, dass du gekommen bist", sagte Arella, während die Laute in ihrer Hand weiter von einem hellen Licht umgeben war, das ein eigentümliches Schuppenmuster darauf legte. "Ich weiß nicht, wie ich her gekommen bin."

Ragnar drehte einen weiten Kreis um das Schiff, während Seeleute ins Wasser sprangen und davon schwammen. Der Schweif des Drachen schlug mit beinahe chirurgischer Präzision die Galionsfigur, eine barbusige Nixe, vom Schiff.

"Ich weiß es", grollte er und seine riesige Pranke schwebte neben Arella, die sich vertrauend darauf setzte. Mit wenigen, kräftigen Schwingenschlägen gewannen sie an Höhe und das Schiff unter ihnen wankte bedrohlich. Arella vermied es, zurück zu schauen.

"Ich bin froh, dich zu sehen, mein Bruder", erklärte sie. "Was ist denn geschehen?"

"Als ich dich vorhin auf dem Mast witterte, habe ich das Betäubungsmittel gerochen, das in der Burg deines Vaters liegt. Er hatte es beim Fest an den Fingern. Ich denke, er hat dich betäubt und auf das Schiff gebracht, sodass ich für ihn dieses Königreich vernichte und er es sich großzügig nehmen kann." Nach diesen Worten wurde seine Stimme feindseliger. "Aber ich lasse mich nicht zum Werkzeug machen." Er schwieg kurz und wenn Arella es nicht besser wüsste, würde sie eine Rechtfertigung von ihm hören, als er vollendete: "Ich habe nur ein paar Türme zerstört, die auf mich schossen, um meine Macht zu zeigen." Unter ihnen glitt die Welt im Morgendunst dahin, nicht ahnend, dass eine Intrige am Morgen beinahe zum feurigen Ende einer Stadt geführt hätte.

Arella atmete tief die frische Luft ein, die ihr um die Nase wehte.

"Ich denke, es wird Zeit, dass mein Vater abdankt", erklärte sie dann.

Ein Grollen erklang über ihr und Ragnar spie eine kleine Stichflamme. "Ich freue mich schon, dich auf seinen Thron zu sehen."

German only
Eine kleine Geschichte zum Bild "Feuriger Herrscher" von :iconnightpark: Schaut es euch unbedingt an!
Auch auf diesem Weg nochmal Danke für die tolle Zusammenarbeit! Ich würde mich freuen, wenn wir nochmal so ein Projekt machen können! :D
© 2016 - 2024 terralux
Comments4
Join the community to add your comment. Already a deviant? Log In
Nightpark's avatar
Die Story lädt ja praktisch zu einem Sequel ein, also warum nicht? :D
Ich bin nach wie vor Fan von dem Lied und der Idee, wie Arella es singt/spielt. Auch wenn ich dem leider keine konkrete Melodie zuordnen könne. Aber die Szene stelle ich mir magisch vor!